Da geht noch mehr


Immer mehr kleinere Maklerfirmen entdecken den Reiz, auch die betrieblichen Risiken
ihrer Kunden abzudecken. Mit der DIN-Norm 77235 bekommen sie ein Werkzeug, das ihnen
den Zugang zu großen Geschäftspotenzialen öffnet.

– Dr. Klaus Möller

Veröffentlich von: CASH, Dezember 2025

Immer mehr Menschen suchen ihren beruflichen Weg als selbständige Unternehmer: Als Chef einer kleinen UG, als Freiberufler, als selbstständige Handelsvertreter oder Berater. Diese wachsende Gruppe muss nicht nur mit privaten Versicherungen, sondern auch in der betrieblichen Sphäre versorgt werden also bei ihren beruflich bedingten Risiken, Absicherungsbedarfen, Liquiditätsfragen und Vermögenswerten.

Aufgrund der Komplexität dieser Themen haben viele Makler einen Bogen um das gewerbliche Geschäft gemacht. Viele konzentrieren sich bestenfalls auf ein bestimmtes Risikofeld, wie beispielsweise die Cyber-Versicherung, die aktuell besonders im Trend liegt. Daneben laufen einige wenige andere Risikobereiche bestenfalls stiefmütterlich mit.

Wer denkt schon an Risiken, die sich beispielsweise durch eine Geschäftsreise einer Mitarbeiterin ergeben könnten? Derlei ungeahnte Risiken gibt es in jedem Gewerbebetrieb mannigfach. Zudem ändert sich auch das Umfeld von Mittelständlern ständig, Anforde rungen werden aufgrund politischer, wirtschaftlicher und ja, auch
klimatischer Risiken immer vielfältiger. Das stellt Makler und Vermittler vor erhebliche Herausforderungen und verlangt ihnen permanente Aufmerksamkeit ab.

Gerade die kleineren Gewerbemakler ohne ein ausgewachsenes Risk-Management, wie es die großen Maklerfirmen vorhalten, kann die Komplexität der finanziellen Bedarfe in diesen Zielgruppen überfordern. Kaum ein noch so ausgebuffter Gewerbemakler ist technisch in der Lage, all diese Risiken zu kennen. Und wie soll er Risiken abdecken, die er garnicht kennt?

Defizite in der Risikoanalyse bei Gewerbekunden sind ein Haftungsrisiko

Der Hauptgrund für diese Unzulänglichkeit: Die wenigsten Gewerbemakler, geschweige denn die Privatkunden-Makler, die die betriebliche Sphäre der Selbstständigen, Freiberufler und Kleinunternehmer unter ihren Kunden mit abdecken wollen, haben die Mittel, die vielen spezifischen Risiken und Bedürfnisse von Gewerbe-Kunden systematisch zu erfassen. Dies führt häufig zu einer fragmentierten Beratung, bei der wichtige Aspekte unberücksichtigt blieben und die Kunden nicht die umfassende Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Sobald aber eine Maklerin oder ein Vermittler in die Beratung einsteigt und – sei es nur aus Unkenntnis – Risiken übersieht, steht er oder sie voll in der Haftung.

Niemand wird leugnen können, dass derlei Defizite zu Vertrauensverlust bei den Kunden führen müssen; denn der Blick auf die Branche zeigt im Umgang mit Gewerbekunden einen Flickenteppich aus unterschiedlichen, eher rudimentären Analyse-Verfahren, mit denen jeder Makler, jede Beraterin zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen muss: Mal tritt nur eine kurze Übersicht zu den in den Augen des Vermittlers wichtigsten Risikofeldern zutage, mal nur zu den Spezialfeldern des jeweiligen Maklers, mal gänzlich unsortiert und mal auf einzelne Themen begrenzt. Der Willkür und dem reinen
Produktverkauf sind Tür und Tor geöffnet, die umfängliche Beratung bleibt auf der Strecke.

Die Folge: Wettbewerber mit anderen Absicherungsprodukten können leicht in den Bestand eindringen und den jeweiligen Kunden womöglich sogar abspenstig machen. Bestandssicherung sieht anders aus. Und davon mal ganz abgesehen: Wenn andere Makler mit ihren Produkten Deckungslücken in einem Bestand offenlegen können, wäre es dann nicht viel besser, man selbst würde diese und andere Lücken vorher schließen? Gerade im Gewerbegeschäft liegt für viele Makler aufgrund ihrer Selbstbeschränkung auf nur wenige Produktfelder so viel Neugeschäft brach.

Viele positive Begleiteffekte einer umfassenden Finanz-Analyse

Auf Basis dieser Gemengelage und der daraus fast naturgesetzmäßig folgenden Tatsache, dass viele Makler um das Geschäft mit gewerblichen Kunden einen großen Bogen machen, haben hochkarätige Fachleute der Finanzdienstleistungsbranche, Juristen und Finanzwissenschaftler über Jahre hinweg in mühseliger Kleinarbeit die DIN-Norm 77235 „Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen“ entwickelt. Von Experten für Experten. Damit ist jetzt ein blinder Fleck in der Beratung von Gewerbekunden beseitigt, positiver ausgedrückt: Gewerbemakler, Versicherer und Banken bekommen ein Werkzeug geliefert,

  • mit dessen Unterstützung sie mit nie dagewesener Genauigkeit und Sicherheit den Finanz- und Absicherungsbedarf von Gewerbetreibenden ermitteln können.
  • das ihnen das Haftungsrisiko deutlich senkt: Die strukturierte Analyse schützt Berater durch nachvollziehbare Dokumentation und reduziert das Risiko von Beratungsfehlern. Anerkannte Normen haben auch vor Gericht viel Gewicht.
  • das Vertrauen erzeugt: Gewerbetreibende kennen aus eigener Erfahrung den Zweck von Normen nur zu gut. Ein entsprechendes Zertifikat wirkt. Darüber hinaus erleben Kunden eine ganzheitliche, verständliche und jederzeit reproduzierbare Analyse und somit anschließend eine hochwertige Beratung – dies schafft Transparenz und stärkt die Bindung.
  • das den Bestand festigt: Die ganzheitliche Analyse, aber auch das gestärkte Vertrauen vermindern das Risiko von Piraterie durch Wettbewerber.
  • das nicht zuletzt das Neugeschäft forciert: Neue Geschäftsfelder sorgen für Cross-Selling-Potenziale. Die Vertragsdichte pro Gewerbekunde steigt. Die DIN-Norm 77235 öffnet immer wieder aufs Neue Gelegenheiten für Marketingaktionen, um im Kundenkontakt zu bleiben – ein Auftragsbuch für die Zukunft gleichsam. Davon profitiert auch das Empfehlungsgeschäft.

Ganzheitliche, individuelle Erfassung und Bewertung von betrieblichen Risiken

Die DIN-Norm 77235, gemeinhin auch „Gewerbenorm“ genannt, ermöglicht die Bestandsaufnahme in fünf Analysebereichen:

  • Haftungsrisiken,
  • menschliche Risiken,
  • Liquiditäts- und Währungsrisiken,
  • Verlust oder Beschädigung von Sachwerten und
  • rechtliche Risken.

Die einzelnen Themen innerhalb dieser Risikofelder sind individuell verschiedenen Prioritätsstufen (Risikobewertung) zugeordnet. Daraus ermittelt der Makler den individuellen Finanz- und Absicherungsbedarf:

  • Welche Risikoabdeckungen sind sofort oder schnell vorzunehmen,
  • welche gehören in die zukünftige Finanzplanung,
  • wo sind noch spezifische Bedürfnisse des Unternehmens zu berücksichtigen?

Insgesamt umfasst die DIN-Norm 52 einzelne Finanzthemen. Wer die DIN 77235 anwendet, kann im Umgang mit seinem gewerblichen Kunden kein Risiko- oder Finanzthema mehr vergessen. Nach der Analyse erfolgen konkrete Handlungsempfehlungen.

Effizienzsteigerung durch zertifizierte Analyse-Software

Die Umsetzung einer solch umfassenden Analyse mit elektronischen Hausmitteln oder gar nur mit Stift und Papier ist nicht möglich. Deshalb hält die Branche über die Anbieter Brokerport, Finoso und Thinksurance bereits drei von Defino auf die Gewerbenorm zertifizierte Software-Lösungen bereit. Rund 200 Makler und Beraterinnen
wenden bereits jetzt die neue DIN-Gewerbenorm an und sie berichten von einer erheblichen Effizienzsteigerung. Denn die in Software gegossene Norm-Systematik erleichtert die umfassende Bestandsaufnahme und schafft einen klaren roten Faden im Beratungsprozess. Darüber hinaus öffnet die Anwendung der DIN-Norm 77235 auch die Tür ins Privatkundengeschäft. Gewerbetreibenden ist der Nutzen von Normen ganz selbstverständlich und aus ihrer täglichen Arbeit geläufig. Kaum etwas liegt dann näher als die Frage, ob es denn eine solche Norm auch für die Analyse der privaten Finanzen gebe. Ja, die gibt es: Die DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“. Finanzdienstleister, die sich auf die DIN-Norm 77235 und /oder auf die 77230 zertifizieren lassen wollen, können sich dazu bei https://defino.de/zertifizierungen/erst-zertifizierung/ informieren.

Autor Dr. Klaus Möller ist Obmann des Ausschusses für Finanznormen (NAFin) beim Deutschen Institut für Normung und Vorstand der Defino Institut für Finanznorm AG.

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