Veröffentlicht von: Bremer Nachrichten, Peter Hanuschke, Juli 2024
Warum ein Finanzberater durch festgelegte Standards nur Vorteile für Verbraucher sieh
Bremen. DIN-Normen dienen dazu, marktgerechte Standards festzulegen, um Qualität zu sichern und um so vor allem auch den weltweiten Handel zu erleichtern oder beispielsweise die Umwelt zu schützen. Privatpersonen profitieren von ihnen in der Regel nur indirekt. Bei der DIN-Norm 77230 ist das anders: Sie legt den Standard für
eine Basis-Finanzanalyse fest, die für Privathaushalte gedacht ist. Der nach dieser DIN zertifizierte Bremer Finanzberater Ralf-Achim Vetter sieht durch diese Norm nur Vorteile für den Verbraucher. Die Bremische Volksbank Weser-Wümme und die Sparkasse Bremen beraten dagegen nach ihren eigenen Standards.
Was soll die zertifizierte Finanzberatung bewirken?
Die Finanzanalyse hat laut Defino – das Institut für Finanzreform hat die DINNorm initiiert – zum Ziel, neutral die
individuelle “Diagnose” für die optimale Absicherung, Vorsorge und Vermögensplanung des Haushalts zu erstellen. Diese Finanzthemen wurden zudem nach Wichtigkeit in einer festen Rangfolge sortiert und mit Orientierungswerten versehen. Dafür wurden 42 Finanzthemen identifiziert, die für einen Privathaushalt potenziell relevant sein können. Die Initiatoren möchten verhindern, dass bei zehn verschiedenen Beratungsgesprächen die Finanzanalyse zur gleichen Person zu zehn verschiedenen Ergebnissen führen könne. Eine Norm schütze vor einer solchen Ergebnisvielfalt, so Defino. Wie ordnet die Volksbank die DINNorm ein? Bereits vor der Veröffentlichung dieser DIN-Norm im Jahr 2019 habe die Bremische Volksbank Weser-Wümme mit der genossenschaftlichen Beratung einen Prozess für einen Qualitätsstandard in der Beratung im Privatkundengeschäft geschaffen, so Prokurist Carsten Wiemann. “Im Rahmen der Beratung werden die Ziele und Wünsche des Kunden besprochen.” Die Finanz- und Lebenssituation des Kunden werde analysiert und in sechs Beratungsthemen überführt. “Wir sind nicht nach der DIN-Norm zertifiziert, da wir mit der genossenschaftlichen Beratung einen sehr guten Beratungsprozess haben.” Dieser Prozess decke nahezu alle Anforderungen der DIN-Norm ab. “Unser genossenschaftlicher Auftrag besteht auch darin, unseren Kunden den Vorteil einer ganzheitlichen Beratung aufzuzeigen.” Leider werde oftmals nur ein Beratungsthema, beispielsweise die Geldanlage, von den Kunden
gewünscht. Warum lehnt die Sparkasse die Norm ab?
Die Sparkasse Bremen nutzt nach eigenen Angaben das Modell des „Privaten Finanzkonzeptes“ – der Beratungsstandard des Sparkassenverbundes. Das Beratungskonzept sei an den individuellen Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet. Im Mittelpunkt stehen die Ziele und Wünsche der Menschen sowie deren persönliche Lebenssituation. Wer war an der Entwicklung beteiligt? Neben Defino hätten Verbraucherschützer, Finanzwissenschaftler, Juristen und führende Vertreter der Finanzbranche unter dem Dach des Deutschen Instituts
für Normung (DIN) im Konsens über vier Jahre die DIN-Norm entwickelt, so Klaus Möller, Vorstand des Instituts für Finanzreform. Auch Stiftung Warentest habe an der Normenentwicklung mitgewirkt und vor allem der Verbraucherrat beim DIN. Die Mitglieder dort würden nicht vom DIN bezahlt, sondern seien quasi Abgesandte des Verbraucherschutzministeriums. Träger des Verbraucherrates seien unter anderem die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen. Um die Bekanntheit der DINNorm bei den Bürgern unter anderem durch Infoveranstaltungen zu fördern, hat der Haushaltsausschuss des Bundestages im vergangenen Jahr ein Budget
von 600.000 Euro beschlossen, das in diesen Tagen auf den Weg gebracht werden soll. Wie viele zertifizierte Berater gibt es bislang?
Laut Defino sind es bislang bundesweit etwa 2500 Finanzberater, die sich nach dieser Norm haben zertifizieren lassen – davon 14 im Großraum Bremen. Einer von ihnen ist Ralf-Achim Vetter von der Finanzberatungsgesellschaft Formaxx AG: “Sich zertifizieren lassen, bedeutet auch, nach der DIN-Norm arbeiten zu müssen.” Eine DIN-Norm sei immer zum Vorteil des Verbrauchers, so Vetter. Das Vorgehen nach der DIN-Norm sei vergleichbar mit der Anamnese beim Arzt. “Er erstellt eine Diagnose und er wird bei eine Therapie empfehlen und bei mehreren Problemen eine Reihenfolge vorschlagen, wann und wie welches Problem angegangen wird.” Dafür werde er vielleicht auch Tabletten verschreiben – und zwar nicht seine eigenen, sondern Medikamente eines Herstellers, die am besten wirken. Warum machen bislang so wenig Banken und Sparkassen mit? “In der Regel verweisen die Banken und Sparkassen darauf, dass sie ihre eigene und bessere Software für die Beratung einsetzen”, so Möller. “Und sie argumentieren, dass diese Norm für sie als Bank ungeeignet sei, weil typische Bankthemen darin weiter hinten anstehen. Offen würde sie natürlich nicht sagen, dass sie mit dieser Norm-Analyse ihre eigenen Produkte nicht so gut platzieren könnten.” Zudem berücksichtige die Norm-Analyse eine Liquiditätsanalyse. Die Deutsche Bank und die Commerzbank hätten zumindest an der Entwicklung einiger Normeninhalte mitgearbeitet, “sie haben sie aber noch nicht implementiert.” Bislang seien zwei westdeutsche Volksbanken auf die DIN-Norm zertifiziert.