Finanzbildung schafft bessere Mitarbeiter

In den USA ist das Thema Financial Wellbeing schon weitverbreitet. Allmählich entdecken es auch deutsche Arbeitgeber.

Veröffentlicht von: FAZ, Philipp Krohn, Frankfurt

Finanzielles Wohlergehen berührt viele Facetten des Lebens: die psychische Gesundheit, die Arbeitsproduktivität und das Sicherheitsgefühl etwa. Unter dem Stichwort „Financial Wellbeing“ ist das vor allem in den Vereinigten Staaten schon länger Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Seit gut einem Jahrzehnt steht
dabei im Vordergrund, wie Verbraucher motiviert werden können, ein gesünderes Ausgaben- und Sparverhalten zu entwickeln, wie Elisabeth Brüggen und Ko-Autoren 2017 im viel beachteten Paper „Financial well-being: A conceptualization and research agenda“ im „Journal of Business Research“ geschrieben haben.

Dort ist es inzwischen sehr etabliert, dass sich Arbeitgeber um das Financial Wellbeing ihrer Mitarbeiter kümmern. Damit ist weit mehr gemeint als eine solide betriebliche Altersversorgung oder Ratschläge zur Steueroptimierung. In Deutschland steckt das Konzept zwar noch in den Kinderschuhen. Aber auch hier beginnen Arbeitgeber, sich zu überlegen, wie sie Mitarbeiter unterstützen können. „Das Thema ist spannend, weil es eine hohe Notwendigkeit gibt, sich damit auseinanderzusetzen“, sagt Katrin Löhr, Professorin für Finanzwirtschaft der Fachhochschule Dortmund. Sie spricht von einem Vertrauensdefizit gegenüber Finanzvermittlern. Finanzbildung und Vertrieb müssten getrennt werden. „Unser ganzes Leben über haben wir finanzielle Fragestellungen zu behandeln, aber die Finanzbildung ist dem Zufall überlassen“, sagt sie.

Auch Klaus Möller treibt das Thema seit Jahren um. Als Manager von MLP und Ergo hat er sich mit Vertrieb beschäftigt. Als er die Defino Institut für Finanznorm AG gründete, war die Absicht, objektivierbare Kriterien in der Finanzberatung zu etablieren. Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass zwei DIN-Normen für Finanzberatung geschaffen wurden, die für Verbraucher klare Marken setzen, was wichtig und was vernachlässigbar ist. „Es gibt einen Verdacht der Voreingenommenheit gegen Vertriebe. Dagegen gibt es hohes Vertrauen als Verbreiter in Arbeitgeber“, sagt er. Mit dem Verbraucherschützer Holger Rohde hat er das Buch „Financial Wellness” geschrieben, das sich als Trainingsplan für stressfreie Finanzentscheidungen versteht. Wer es durcharbeite, werde nicht alle finanziellen Herausforderungen gelöst haben. „Aber wir versprechen dir, dass du einen funktionsfähigen Plan haben wirst, sie zu meistern“, schreiben die beiden Autoren. Nun gelte es Unternehmer zu überzeugen, die von Arbeitnehmern gewünschte Rolle einzunehmen. „Nicht finanzielle Anreize führen zu einer höheren Produktivität, sondern Financial Wellbeing“, sagt Möller.

In seinem Umfeld hat er schon einige Arbeitgeber überzeugt. Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, hat für das Modell Sympathien. Und Karl Breer, Geschäftsführer eines fast 130 Jahre alte Familienunternehmens aus Heidelberg, ist selbst aktiv geworden. Weder in weiterführenden Schulen noch in Berufsschulen spielten Wirtschaft und Finanzen eine Rolle. „Deshalb nehmen wir das Konzept des Financial Wellbeing als gutes Mittel wahr, diese wichtige Lücke im finanziellen Wissen unserer Mitarbeiter zu schließen“, sagt Breer. Durch den Bezug auf die DIN-Norm könnten Mitarbeiter davon ausgehen, dass keine
Verkaufsinteressen hinter Schulungen stünden.

Mit Betreuung und Informationsangeboten würden sie in die Lage versetzt, Entscheidungen etwa zu Absicherungen zu treffen. „In der Vergangenheit mussten wir oft erleben, dass unsere Mitarbeiter Verträge abgeschlossen haben, die sehr ungünstige Konditionen beinhalteten und oft eine finanzielle Überforderung hervorriefen“, sagt Breer. Häufig habe sich die Personalabteilung mit Pfändungsbeschlüssen und anderen Problemen befassen müssen. Mangelnde Finanzbildung werde regelmäßig bei Mitarbeitern mit Migrationshintergrund offensichtlich.

Auch in der Bundesregierung stößt das Konzept des Financial Wellbeing auf Gegenliebe. „Konzepte einer von Unternehmen auf ihre Mitarbeitenden zugeschnittenen Finanzbildungsinitiative sind ein interessanter, innovativer Ansatz“, sagt eine Sprecherin des Bundesverbraucherschutzministeriums. Unfaire Praktiken würden schneller durchschaut, wenn die Belegschaft ein Training durch den Arbeitgeber erfahren habe. Noch sei diese Form der Finanzbildung wenig verbreitet. „Pilotprojekte mit Wirtschaftsunternehmen können entsprechende
Konzepte in der Praxis testen und bei entsprechendem Erfolg zu einer größeren Bekanntheit und Verbreitung beitragen“, sagt sie. Dabei helfe die Standardisierung der Finanzanalyse, eine bedarfsgerechte Beratung zu ermöglichen.

„Arbeitgeber sind dafur gut geeignet und profitieren auch“, sagt Finanzprofessorin Löhr. „Das zeigt sich an der Mitarbeiterbindung, der Arbeitgeberattraktivität und der Performance.“ Studien aus den Vereinigten Staaten zeigten, dass sich eine Investition in dieses Thema dreifach auszahle. Löhr hat mit Mitstreitern das Bündnis Ökonomische Bildung gegründet. In Schulungen bei Arbeitgebern setzt sie Videos und Livecoachings ein. Oft gehe es um sehr konkrete Fragen wie die, ob man sich von einem geerbten Haus trennen solle. Die längste Zeit der Schulungen aber werde für systematische Risikoanalysen und finanzwirtschaftliche Grundlagen genutzt.

„Wir sagen den Teilnehmern: Heute ist der Tag null, wir alle haben finanzielle Fehler gemacht“, sagt Lohr. Dadurch
werde klar, dass sie sich von der Vergangenheit nicht mehr bremsen lassen müssen. „Anfangs habe ich total unterschätzt, dass jeder ein ,Money Mindset’ mitbringt, also Erfahrungen und Gefühle aus der Vergangenheit – zum Beispiel Misserfolg mit einer Telekom-Aktie.” Deshalb gehe es immer auch darum, alte Glaubenssätze zu hinterfragen, sich bewusst zu machen, dass eine finanzielle Reserve für unerwartete Ausgaben bestehen sollte. Dann gehe es um die individuelle Risikofreude, den Komplizen Zinseszinseffekt und die Gegenspieler Kosten, Trend, Besserwisser. Am Ende stehe ein Finanzmasterplan.

„In den USA ist die gesetzliche Vorsorge schlechter, deshalb gibt es eine höhere Relevanz für finanziell entstresste Mitarbeiter“, sagt Initiator Klaus Moller. Doch auch hier sei großer Bedarf zu erkennen, dass Rechtsschutz deutlich weniger wichtig sei als Arbeitskraftabsicherung durch eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung. Die Bereitschaft, sich als Unternehmen einzubringen, nehme zu. Professorin Löhr berichtet, sie arbeite mit kleineren Kunden und Dax Konzernen wie DHL oder der Deutschen Telekom. „Anfangs wissen Arbeitgeber oft nicht, was sie erwarten können und sind dann in vielen Fällen überrascht und motiviert. Sie wollen das Konzept umsetzen, weil sie eine Lösung sehen“, sagt sie. Von der Scheidung bis zum Hauskauf lasse sich ihre Onlineakademie anwenden.

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